BRA-Mitgliederinfo 04/20

Mitgliederinformation 4/20


Forderungskatalog für Hygienemaßnahmen während der Covid 19-Pandemie in der Arbeitsgerichtsbarkeit


Im Rahmen der Bundesvertreterversammlung des Bundes der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit (BRA) am 1. und 2. Oktober 2020 in Bremen wurde zentral zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die tägliche Arbeit der Richterinnen und Richter beraten (s. Mitgliederinformation 3/20). Dabei wurde vereinbart, mittels einer Abfrage die in den einzelnen Bundesländern jeweils getroffenen Hygienemaßnahmen zusammenzutragen und hieraus einen Forderungskatalog des BRA zu erstellen. Hiervon berichtet nachfolgend Dr. Michael Horcher, Beisitzer im Bundesvorstand des BRA, der auch maßgeblich für die Erstellung des Forderungskatalogs verantwortlich war.
Der Bund der Richterinnen und Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit hat eine Befragung zu den jeweils ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid 19-Pandemie in den verschiedenen Bundesländern vorgenommen. Es liegen Berichte aus den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen vor. Es lässt sich feststellen, dass der Gerichtsalltag der Kolleginnen und Kollegen geprägt ist durch Maßnahmen, die in allen Bundesländern gleich oder ähnlich ergriffen worden sind (dazu unter I.) Allerdings gibt es auch Unterschiede (dazu unter II.). Aus alldem lassen sich Forderungen ableiten, wie Maßnahmen in einzelnen Ländern noch verbessert werden können (dazu unter III.). Dabei ist es klar, dass Maßnahmen auch Geld kosten und nicht stets die gleichen Mittel in den Bundesländern zur Verfügung stehen. Der Forderungskatalog versteht sich insoweit in erster Linie als Argumentationshilfe gegenüber dem jeweiligen Dienstherrn.
I. Maßnahmen, die in allen Ländern ergriffen worden sind
Hierzu zählen die Durchsetzung des Abstandsgebots von mindestens 1,50 m. Dazu wurden Sitzungssäle – soweit möglich – räumlich umgestaltet (Tische auseinander gestellt etc.). Teilweise wurden größere Wartezonen eingerichtet oder freie Sitzungssäle als Wartezonen genutzt. Sitzungstermine wurden zeitlich entzerrt, damit sich der Besucherandrang verringert. Soweit ersichtlich, gilt in allen Bundesländern eine Maskenpflicht im öffentlich zugänglichen Bereich (Flure und Toiletten). Im Sitzungsaal selbst entscheidet d. Vors., ob Maske zu tragen ist. Es gilt die Empfehlung, regelmäßig zu lüften. Dies ist von der baulichen Seite aus naturgemäß nicht immer einfach umzusetzen. Es wird Desinfektionsmittel bereitgestellt. Fast überall gibt es Plexiglaswände. Diese werden z.T. eingesetzt, um die Abstände auf der Richterbank zu verbessern, z.T. auch bei den Prozessbevollmächtigten oder bei Zeugen.


II. Maßnahmen, die in den einzelnen Ländern unterschiedlich umgesetzt werden
In manchen Ländern, so in Sachsen, Niedersachsen und Bayern, gibt es ein Verbot, dass Personen mit grippeähnlichen Symptomen das Gerichtsgebäude betreten dürfen. Dies wird, wo vorhanden, durch Gerichtswachmeister abgefragt. Es besteht z.T. die Möglichkeit zum kontaktlosen Fiebermessen. In anderen Ländern wird dies nicht – oder nicht streng – kontrolliert. Unterschiedlich wird auch gehandhabt, ob Besucher/Zeugen ihre Adressdaten zur Nachverfolgung angeben müssen. Sofern dies kein Wachmeister übernimmt, sind die Vors. gehalten, die Daten aufzunehmen.
Unterschiedlich weit sind die Länder in Bezug auf die Nutzung von Luftmessgeräten, die den CO2-Gehalt der Luft messen. Hier werden Geräte in NRW zumindest getestet. Was den Einsatz von Desinfektionsmittel angeht, gibt es Länder, in denen Personal bereitgestellt wird, welches Tische in Sitzungspausen reinigt, z.B. in Hessen und Bayern, in anderen Ländern bleibt dies den Vors. oder den Prozessbevollmächtigten selbst überlassen. In manchen Bundesländern, z.B. Baden-Württemberg, werden bestimmte Laufwege im Gerichtsgebäude eingesetzt oder durch Bodenmarkierungen auf die Abstandsgebote, z.B. in Bayern und Niedersachsen, hingewiesen.
III. Maßnahmen, die in allen Bundesländern gelten sollten:
1. Hygienemaßnahmen dürfen nicht auf die Richterschaft überbürdet werden. Die richterliche Tätigkeit erfordert eine hohe Konzentration. Hygienemaßnahmen, die durch Dritte durchgeführt werden können, sind durch zusätzliches Personal aufzufangen. Das gilt insbesondere für das Desinfizieren von Tischen oder Türklinken im Sitzungsbetrieb.
2. Zur Reduzierung des Kontakts im Arbeitsalltag muss allen Richterinnen und Richtern die Möglichkeit zum Arbeiten im Homeoffice eingeräumt werden. Dazu gehört, dass der Dienstherr entsprechende Laptops zur Verfügung stellt und die Infrastruktur schafft für einen verschlüsselten Zugang von zu Hause aus. Es kann nicht angehen, dass – wie z.B. in Rheinland-Pfalz – Kolleginnen und Kollegen mit ihrem privaten Rechner arbeiten müssen.
3. Der jeweilige Dienstherr hat für einen größtmöglichen Schutz der Richterinnen und Richter während der Dienstausübung im Sitzungsaal zu sorgen. Dazu gehört, moderne Luftmessgeräte zum Einsatz zu bringen. Gerade in den kommenden Wintermonaten ist ein regelmäßiges Lüften nur noch bedingt zumutbar.
4. Es müssen schutzwirksame FFP2/3-Masken zur Verfügung gestellt werden. Diese müssen vom Dienstherrn beschafft werden. Solche Masken waren im Frühjahr dieses Jahres noch nicht im großen Umfang zu erwerben, dieses Argument dürfte zurzeit aber nicht mehr gelten.
5. Es müssen in ausreichendem Umfang Plexiglaswände angeschafft werden. Dies gilt zunächst für die Richterbank, wenn von den räumlichen Gegebenheiten her nicht genug Abstand eingehalten werden kann. Der Dienstherr hat aber auch eine Fürsorgepflicht in Bezug auf die Besucher und Rechtsanwälte. Hier sollten auch mobile Trennwände zur Verfügung stehen, die bei größeren Beweisaufnahmen zum Einsatz kommen können.
6. Der Dienstgeber muss die Hard- und Software zur Verfügung stellen, damit die Gerichte von den gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten von Videoverhandlungen in der Praxis Gebrauch machen können (vgl. §§ 114
ArbGG, 128a ZPO). So fehlt es, z.B. in Hessen, an Bildschirmen, mit denen eine Verhandlung im Sitzungssaal öffentlich übertragen werden kann.
7. Um soziale Kontakte zu verringern, sollte auch für den innerdienstlichen Betrieb Software zur Verfügung gestellt werden, um kontaktlose Videobesprechungen zu ermöglichen (z.B. Skype for business). Nicht alles lässt sich im innerdienstlichen Bereich per Telefon oder E-Mail erledigen (z.B. Formularausschuss-, Präsidiums- oder Teamleitersitzungen).
8. Positiv wäre auch, wenn für das nichtrichterliche Personal eine freie Arbeitszeitregelung gelten würde, so dass auch dort von zuhause oder verteilt über den ganzen Tag gearbeitet werden könnte. Auch dies reduziert die Kontakte.
Der Bundesvorstand des BRA wünscht allen Kolleginnen und Kollegen ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute – insbesondere Gesundheit – für das kommende Jahr 2021!


Für den Bundesvorstand
Christoph Tillmanns
Vorsitzender