BRA-Mitgliederinfo 2/23



Mitgliederinformation 2/23



Gesetzesentwurf zum Einsatz von Videotechnik in Gerichtssälen auch auf Stellungnahme des BRA hin entscheidend geändert

 

Der Bund der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit (BRA) nimmt regelmäßig zu für die Arbeitsgerichtsbarkeit relevanten Gesetzesvorhaben der Bundesregierung Stellung. Er versucht, aus der Warte der Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter auf rechtliche und tatsächliche Problempunkte bei solchen Vorhaben hinzuweisen. Bei der derzeit sehr streitig diskutierten Frage des Einsatzes von Videotechnik in Gerichtssälen kann insoweit ein erster Zwischenerfolg verbucht werden. Unter anderem auf Intervention des BRA hin wurde ein vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegter Referentenentwurf entscheidend geändert.

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat am 21.11.2022 einen Referentenentwurf zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vorgelegt. In dem Entwurf, dessen Regelungen über die Verweisungsvorschrift in § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG auch für die Arbeitsgerichtsbarkeit gelten sollten, war unter anderem vorgesehen, dass § 128a ZPO neu gefasst wird und dadurch der Einsatz von Videokonferenztechnik erheblich ausgeweitet wird. Unter anderem enthielt der Referentenentwurf eine Regelung, wonach die Bild- und Tonübertragung angeordnet werden soll, wenn die Parteien ihre Teilnahme hieran übereinstimmend beantragen. Weiter sollte der Vorsitzende nach dem Entwurf zwar allein über die Anordnung der Videoverhandlung entscheiden können, über die Ablehnung aber das Gericht – im Arbeitsgerichtsverfahren also die Kammer. Auch sollte gegen einen ablehnenden Beschluss die sofortige Beschwerde stattfinden und der Vorsitzende sollte den Mitgliedern des Spruchkörpers gestatten können, sich an anderen Orten als dem Sitzungszimmer aufzuhalten und an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung teilzunehmen. In dem Entwurf war schließlich auch eine Neufassung des § 160a ZPO vorgesehen. Es sollten auf Antrag einer Partei oder eines Nebenintervenienten Aussagen von Zeugen und Sachverständigen in Verfahren, deren Streitgegenstand einen Wert von fünftausend Euro übersteigt, unmittelbar in Ton oder in Bild und Ton vorläufig aufgezeichnet werden.

Mit Stellungnahme vom 09.01.2023 hat sich der BRA zu dem Referentenentwurf positioniert und darauf hingewiesen, dass etliche der in dem Entwurf vorgesehenen Punkte die Besonderheiten des Arbeitsgerichtsprozesses nicht hinreichend berücksichtigen. So wurde im Hinblick auf die Soll-Bestimmung bei übereinstimmendem Antrag auf Durchführung einer Videoverhandlung deutlich gemacht, dass die Regelung im Arbeitsgerichtsverfahren nicht passt, da es Situationen gibt – beispielsweise in Beschlussverfahren, bei denen oft in erheblichem Maße Interessen von nicht unmittelbar am Prozess beteiligten Personen betroffen sind – in denen eine Verhandlung in Präsenz gegenüber einer Videoverhandlung deutliche Vorteile bietet. Deshalb solle die Entscheidung voll im richterlichen Ermessen bleiben. Bei der Regelung, wonach die Ablehnung des Antrags durch die Kammer zu erfolgen hat, wurde unter anderem aufgezeigt, dass die praktischen Gegebenheiten in der Arbeitsgerichtsbarkeit so aussehen, dass nicht jederzeit ehrenamtliche Richter zur Stelle sind, und eine Ladung von ehrenamtlichen Richtern nur für eine Ablehnungsentscheidung eine erhebliche Zeit- und Kostenverschwendung darstellen würde. Aus diesem Grund solle auch über eine Ablehnung stets nur der oder die Vorsitzende entscheiden. Im Hinblick auf die Rechtsmittelfähigkeit der ablehnenden Entscheidung wurde erläutert, dass hierdurch ganze Prozesse erheblich verzögert werden könnten, was dem Beschleunigungsgrundsatz im Arbeitsrecht, dem unter anderem in Vorschriften wie § 47 Abs. 1 ArbGG oder § 61a ArbGG Rechnung getragen wird, widerspräche. Deshalb solle auch ein ablehnender Beschluss unanfechtbar sein. Soweit der Entwurf vorsah, dass einzelne Mitglieder des Spruchkörpers sich an einem anderen Ort aufhalten können, wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei den ehrenamtlichen Richtern zum einen um Laienrichter handelt, die auf die jederzeitige Verständigungsmöglichkeit mit dem Vorsitzenden angewiesen sind, und dass die ehrenamtlichen Richter zum anderen ein Urteil vor der Verkündung unterschreiben müssen. Deshalb sei es wichtig, dass der gesamte Spruchkörper sich am selben Ort aufhalte. Schließlich wurde im Hinblick auf die in § 160a ZPO-E vorgesehene Möglichkeit, Aussagen in Verfahren, deren Streitgegenstand einen Wert von fünftausend Euro übersteigt, auf Antrag einer Partei oder eines Nebenintervenienten unmittelbar in Ton oder in Bild und Ton vorläufig aufzuzeichnen, darauf hingewiesen, dass in arbeitsgerichtlichen Verfahren zum einen die Differenzierung nach dem Streitwert keinen Sinn macht und zum anderen eine Aufzeichnung in Bild generell abgelehnt werde, da die Gefahr bestehe, dass ein Zeuge sich anders verhält, wenn er weiß, dass seine Aussage mit einer Kamera aufgezeichnet wird. Angesichts der genannten Kritikpunkte schlug der BRA vor, entweder eine eigenständige Regelung im ArbGG zu schaffen (entsprechend § 110a SGG) oder durch einen neuen Satz 4 in § 46 Abs. 2 ArbGG eine nur modifizierte Übernahme der neuen Regelungen in §§ 128a, 160a ArbGG für das Arbeitsgerichtsverfahren anzuordnen.

Zwischenzeitlich wurde der Regierungsentwurf der Bundesregierung zu der Thematik vorgelegt. Erfreulicherweise wurde unter anderem der Stellungnahme des BRA Rechnung getragen und es ist nun mit der Einführung eines neuen § 50a ArbGG eine eigenständige arbeitsgerichtliche Regelung vorgesehen. Demnach soll die Entscheidung über die Anordnung einer Videoverhandlung im Ermessen des oder der Vorsitzenden liegen und unanfechtbar sein. Damit wird die zentrale Forderung des BRA erfüllt. Die Regelung stellt sicher, dass die in der Arbeitsgerichtsbarkeit von allen Beteiligten geschätzte zeitnahe Terminierung der Verhandlungen und deren Durchführung nicht durch langwierige vorgelagerte Entscheidungsprozesse über eine etwaige Verhandlung per Videokonferenz verzögert werden.

 

Redaktion: Veronika Meininghaus, Katja Bernhard